Samstag, 1. Juli 2023

Biiisschen schwächer als sein Vorgänger, aber toller Abschluss eines grandiosen High Fantasy-Epos! – Rezension zu „Die weiße Herrin (Wolfszeit 4)“ von Bjela Schwenk

Werbung/ Rezensionsexemplar

Titel: Die weiße Herrin
Reihe: Wolfszeit
 
* Achtung, Spoilergefahr! *
Dies ist bereits der letzte Band der Reihe, ihr könntet also zu Teil 1-3 gespoilert werden! 
 
Genre: High Fantasy
Verlag: selfpublished
Preis: € 4,99 ebook (kostenlos über KU); Taschenbuch + Hardcover bald erhältlich
Erschienen am: 01.07.2023
Seitenzahl: 533

Leseempfehlung? Wenn euch die Vorgängerbände auch nur ein bisschen gefallen haben, auf jeden Fall!
 
 

" »Wolfszeit. Es war ein Wort, das bitter schmeckte, nach langen Nächten, nach Krankheit und Tod.«
Die drei Herrinnen haben das Königreich mit Krieg überzogen und rücken auf die Hauptstadt Ferian vor. Die einzige Hoffnung liegt in fünf Freunden, die das Unheil abzuwenden versuchen:
Die Elfe Elais und Tkemen reisen zusammen nach Gilead, in das Reich des Feindes, um einen der Sihar zu zerstören, die den Herrinnen ihre Kraft geben. Währenddessen wächst in Thea, der Anführerin der Diebesgilde, der Verdacht, dass sich ein Verräter in den eigenen Reihen befindet.
Kaya und ihre beste Freundin suchen die kriegerischen Stämme der Myr in den Tiefen der Wüste auf, um sie davon zu überzeugen, sich der Armee des Königreichs anzuschließen.
Unterdessen zieht Haku immer weiter in den eisigen Norden auf der Suche nach der Schwarzen Stadt. Doch je näher er seinem Ziel kommt, desto mehr nähert er sich auch der Weißen Herrin, deren Erinnerungen seine eigenen zu überfluten drohen …"

"Nach Abschluss meines 2. Staatsexamens in Germanistik und Geschichte und dem Studium des Kreativen Schreibens im Studio Literatur und Theater arbeitete ich zwei Jahre in Hanoi, Vietnam, als ZfA-Deutschlehrerin und Theaterpädagogin. Momentan lebe ich in Budapest, Ungarn, als freischaffende Lektorin und DaF-Lehrerin. Der erste Band meiner Fantasyreihe "Fatebound" wurde im Dezember 2017 bei digi;tales veröffentlicht, der zweite im April 2018. Die Neuveröffentlichung des ersten Bandes unter dem Titel "Wolfszeit – Bund der Verstoßenen" ist für diesen Sommer geplant.
Meiner Faszination für fremde Kulturen fröne ich bei meinen zahlreichen Reisen durch bis jetzt 33 Länder. Zuletzt bloggte ich über meine Reise mit der Transsibirischen und danach weiter durch Asien, auf der ich jedes nur erdenkliche Transportmittel in Anspruch nahm: von mongolischen Przewalski-Pferden bis hin zu vietnamesischen Bussen, in denen ich meinen Sitzplatz mit Reissäcken, Hühnern und einem Kinderwagen teilen musste."

"'Bist du sicher, dass du gehen möchtest?', fragte Kaya zum ungefähr fünfhundertsten Mal."


Wie auch bereits die drei Vorgängerbände überzeugt „Die weiße Herrin“ wieder mit einer wunderschönen Aufmachung, die sich vor allem unter anderen selfpublished Werken stark von anderen Büchern abhebt.
Die bunte Karte Juros ist auch hier wieder abgebildet, ebenso die Illustrationen vor jedem Kapitel mit einer Schlüsselszene daraus. Toll finde ich auch, wie bereits in meinen vorherigen Rezensionen zur Reihe erwähnt, das Inhaltsverzeichnis am Anfang des Buches. Meiner Meinung nach sollten das viel mehr (gerade High Fantasy-) Bücher haben!
Das Cover des vierten Teils finde ich von allen Bänden der Reihe tatsächlich am schönsten. Man sieht auch hier wieder einen Ort, der im Laufe der Handlung relevant wird, diesmal sieht man Kaya und Mira im Roten Meer, der Wüste des Kontinents, wie sie vor der Stadt Kerbar stehen. Das Cover ist dabei nicht nur farblich ein Hingucker, auch der Detailreichtum ist bemerkenswert.

Zwischen Band 3 und 4 lagen bei mir jetzt fast anderthalb Jahre – angesichts dessen, dass „Wolfszeit“ eine hochkomplexe Reihe ist, bei der wirklich viel passiert, ist es daher nicht verwunderlich, dass ich mich zu Beginn von „Die weiße Herrin“ an kaum etwas erinnern konnte. Mit der Zeit kamen jedoch auch meine Erinnerungen zurück und ich war relativ schnell wieder in der Handlung.

Das liegt wohl auch daran, dass dieser Teil fast nahtlos an „Die schwarze Stadt“ anknüpft – man wird also unmittelbar mit den Konflikten aus Band 3, die noch offen sind oder dort angedeutet wurden, konfrontiert. Das sorgt dafür, dass das Erzähltempo bereits zu Beginn sehr hoch ist. Was eventuell zur Folge haben könnte, dass man schnell abgehängt wird und nicht mehr mitkommt, gerade wenn man sich inhaltlich an nur wenig erinnern kann, hat hier jedoch dafür gesorgt, dass man, ohne, dass man sich dagegen wehren könnte, in die Handlung gezogen wird und innerhalb kürzester Zeit bereits einen Großteil des Buches weggelesen hat.

Das hat seinen Grund in der von mir in meiner Rezension zum dritten Teil mehrfach gelobten Fähigkeit der Autorin, stets die richtige Balance zwischen Worldbuilding, Handlungsaufbau, Spannung und Characterbuilding findet. Dadurch verliert man sich in der Welt von „Wolfszeit“ und vergisst dabei, dass es sich ja um Fiktion handelt und es den Krieg zwischen Gilead und Juros, Elfen, Meermenschen und Magie eigentlich gar nicht gibt.
„Wolfszeit“ ist so unfassbar reich an unterschiedlichen Figuren und Völkern, an bunter Flora und Fauna, Magie, Kulturen, Politik und Religionen, dass es fast schon unverständlich scheint, wie die Autorin es geschafft hat, alles in vier Bücher zu packen und dann dem Leser auch noch so zu vermitteln, dass er diese schiere Fülle an Informationen einfach annimmt und akzeptiert.
Ich habe es in meinen vorherigen Rezensionen schon gesagt und ich werde es jetzt auch noch einmal sagen: Das ist High Fantasy, wie ich sie mir wünsche!

Meines Erachtens ist ein Buch aus diesem Genre dann gut geschrieben und ausgearbeitet, wenn ich beim Lesen zu der Überzeugung komme, dass es irgendwo eine Parallelwelt gibt, in der das, was ich da gerade in Form von Buchstaben vor Augen habe, real ist. Hier habe ich dieses Gefühl, ohne zweimal darüber nachzudenken.
Daneben findet sich subtil auch einiges an Gesellschaftskritik, man kann Parallelen zu aktuellen Problemen und Diskussionen erkennen und liest ganz deutlich eine klare Position der Autorin heraus. Auch das macht für mich das Genre der (High) Fantasy aus!


Ein kliiiitzekleines Manko hat „Die weiße Herrin“ in meinen Augen allerdings im Vergleich zu seinem Vorgänger: Hier ist die Plotdichte nicht ganz so hoch. Es gibt einige langatmige Stellen, in denen ich dann doch wieder gemerkt habe, dass die 40- 50-seitigen Kapitel doch um einiges länger sind, als ich es gewohnt bin.

Was mir ebenfalls „negativ“ aufgefallen ist – in Anführungsstrichen hier deshalb, weil dieser Punkt, ebenso wie der eben genannte, bei dem hervorragenden Rest eigentlich kaum auffällt und daher eher Meckern auf hohem Niveau ist: Es bekommen nicht alle fünf Hauptfiguren die Aufmerksamkeit, die sie für mein Empfinden gebraucht hätten, dass ich mit allen von ihnen gleichermaßen mitfiebere.

Im Vordergrund stehen hier nämlich vor allem Kaya und Tkemen (mit Elais), die ich beide auch sehr gerne begleitet habe. Vor allem Kaya ist dabei in meinen Augen eine Figur, die anecken soll. Sie ist stur, engstirnig und hitzig und ich habe daher ihre Entscheidungen nicht immer gutheißen können. Trotzdem kann man sich gut in sie hineinversetzen und nachvollziehen, wieso sie so handelt, wie sie eben handelt. Sie ist eine runde Figur, die sich ihrem Charakter entsprechend verhält und demnach lebensecht erscheint.

Dass Tkemen sich zu einer meiner Lieblingsfiguren entwickelt, hätte ich noch zu Beginn der Reihe niemals geglaubt. Anfangs ist er arrogant, nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht und geht dafür über andere hinweg. Inzwischen hat er sich jedoch zu einem Helden entwickelt, den man gerne begleitet und dem man auf seinem Weg beide Daumen fest drückt. Diese Entwicklung vollzieht sich über alle vier Bände und wirkt daher, obwohl er charakterlich praktisch eine 180°-Wende hinlegt, logisch und natürlich. In meinen Augen ist Tkemen über die Reihe am stärksten gewachsen.

Auch Elais, aus deren Perspektive hier eher wenig erzählt wird, die jedoch immer dann eine Rolle spielt, wenn Tkemen erzählt, da sie ihn begleitet, hat sich extrem entwickelt und konnte mich vor allem in diesem Band begeistern.

Die beiden Figuren, die hier für mich allerdings im Vergleich zu den dreien zu blass geblieben sind, waren Thea und Haku.
Zwar haben auch sie sich im Verhältnis zum Anfang der Reihe durchaus weiterentwickelt, in diesem Band habe ich sie aber als zu starr empfunden. Thea wird vor allem von Rache angetrieben, und auch wenn man sich gut in sie hineinversetzen und ihre Motive nachvollziehen kann, hat sich für mich ihre Charakterentwicklung in diesem Teil nicht so natürlich angefühlt wie die der drei anderen.
Zu Haku hat mir stattdessen fast gänzlich der Bezug gefehlt, was letztlich wohl auch mit ein Grund dafür ist, weshalb sich das Lesen für mich teilweise etwas gezogen hat. Er durchlebt eine schwierige, eisige Zeit, während der er vieles entbehren muss und nur von einem Wolfsrudel begleitet wird, ansonsten aber völlig auf sich alleine gestellt ist. Er hat keinen Kontakt zu seiner Familie und seinen Freunden, und diese Trostlosigkeit und Einsamkeit, die in so einer Situation aufkommt, werden hier wirklich gut transportiert. Ich habe die Szenen, in denen er durch die Eiswüste wandert, bei 30° C Hitze gelesen und musste zwischendurch trotzdem schaudern.
In der Hinsicht hatte ich also durchaus einen emotionalen Bezug zu ihm. Zu seinem Innenleben, seinen Gedanken und Gefühlen konnte ich dagegen Verbindung aufbauen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass diese Distanz, die sich durch den auktorialen Erzählstil zwar durch die gesamte Buchreihe zieht, die aber durch die Abgeschiedenheit der Eiswüste bei Haku besonders spürbar ist, gerade bei ihm volle Absicht ist, damit man nachempfinden kann, wie einsam er ist.
Das hat bei mir, wie gesagt, auch gut funktioniert, nur in Bezug auf Bindung zu ihm selbst war für mich persönlich diese Distanz eher hinderlich.

Haku macht allerdings nur einen geringen Teil der Handlung aus, und auch in seinen Kapiteln gibt es durchaus einige Szenen, die sehr emotional sind (ich denke hier an zwei ganz bestimmte D: ), daher fällt dieser Aspekt, wie erwähnt, letztlich nicht so stark ins Gewicht.

Das, was mich schon vom ersten Band an an „Wolfszeit“ so begeistern konnte – ein hervorragendes Worldbuilding und spitze ausgearbeitete Figuren, die zusammen eine Welt schaffen, bei der eins zum anderen führt und von der man davon überzeugt ist, dass sie gar nicht fiktiv sein kann, sondern irgendwo tatsächlich existiert – findet man nämlich auch hier wieder.
Der Abschluss dieses hochkomplexen, genialen, detailverliebten High Fantasy-Epos ist emotional, grandios und mitreißend. Alle roten Fäden, die die Autorin im Laufe der vier Bücher aufgenommen hat, laufen hier zusammen. Es bildet sich ein großes Bild, von dem zum ersten Mal das gesamte Motiv erkennbar wird und das alle Fragen, selbst solche, an die man inzwischen gar nicht mehr gedacht hat, beantwortet und den Leser völlig zufrieden aus dieser Welt entlässt.
Persönlich finde ich vor allem drei Aspekte am Ende unheimlich traurig, aber im Ganzen betrachtet machen diese Punkte viel Sinn und hätten eigentlich gar nicht anders kommen dürfen.


„Die weiße Herrin“ ist der Abschluss eines hochkomplexen, genialen, detailverliebten High Fantasy-Epos, das seinen Vorgängern definitiv gerecht wird und das emotional und mitreißend ist.
In zwei Punkten – der Plotdichte und der Charakterentwicklung von Thea und Haku – ist dieser Teil in meinen Augen etwas schwächer als sein Vorgänger, weshalb es an dieser Stelle einen halben Punkt Abzug von mir gibt.
Im Großen und Ganzen bekommt man aber auch hier wieder einen Pageturner, der mit einem hervorragenden Worldbuilding, grandios ausgearbeiteten Figuren (vor allem Tkemen, was ich bei den ersten beiden Teilen noch niemals gedacht hätte) und einer beeindruckenden Liebe zum Detail punkten kann, und der eine Reihe schön abrundet, die für mich das ist, was High Fantasy aus
macht: Eine Buchreihe, die mich davon überzeugt, dass es irgendwo eine Parallelwelt gibt, in der das, was ich da gerade in Form von Buchstaben vor Augen habe, real ist.
4,5/5 Lesehasen.


Vielen lieben Dank an

für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars! ♥



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