Man sieht ein weißes Gebäude, das nach oben hin offen ist und das von innen mit Regenbogenfarben beleuchtet zu sein scheint, links daneben läuft eine kleine weiße Katze. All das spielt sich vor einem dunkelblauen Hintergrund ab, der in den oberen zwei Dritteln mit weißen Punkten gesprenkelt ist, von denen einige Glitzern. Das Ganze soll eindeutig einen Nachthimmel darstellen, was zur Mitternachtsbibliothek natürlich sehr gut passt.
Dass die Bibliothek oben offen ist, und auch die Katze finden sich im Inhalt wieder.
Das Cover ist definitiv ein Hingucker!
So ganz, was ich hier in dieser Rezension schreiben soll, weiß ich noch gar nicht. Ich habe jetzt einfach angefangen, in der Hoffnung, dass mir im Schreibprozess einfällt, was ich zu dem Buch sagen soll. Am liebsten würde ich euch einfach dieses Gefühl übertragen, das mir dieses Buch beim und auch nach dem Lesen vermittelt hat, da ich schlicht nicht weiß, wie ich es beschreiben soll, aber das geht natürlich nicht.
Das liegt zum einen ganz klar an dem poetischen, bildhaften Schreibstil des Autors, der so viel zwischen den Zeilen aussagt und mit so wenigen leisen Worten so viele laute Wahrheiten erzeugt.
Er schafft es, dem Leser völlig neue Perspektiven auf die einfachsten, aber auch auf die schwierigsten Aspekte im Leben zu eröffnen. Man denkt über Dinge, über die man sich auch sonst den Kopf zerbricht, intensiv nach, aber aus einem anderen Blickwinkel, und gelangt so zu anderen Schlüssen und neuen Wegen. Zugleich bringt einem Matt Haig dazu, über die Aspekte nachzudenken, die einem so vorher noch gar nicht in den Sinn gekommen sind. Das führt dann wiederum zu neuen Fragen, neuen Antworten und neuen Sichtweisen.
Was „Die Mitternachtsbibliothek“ aber gerade so besonders macht, ist, dass man auf das Leben im Ganzen einen ganz anderen Blick bekommt. Das, was man vorher vielleicht für selbstverständlich oder alltäglich gehalten hat, bekommt beim Lesen dieses Buches einen besonderen Glanz. Man lernt, die Dinge anders wertzuschätzen.
Gleichzeitig betrachtet man die Dinge weniger persönlich, die einem vorher sehr nahegingen und die einen vielleicht sogar eingeengt oder blockiert haben, sondern sieht sie aus der Vogelperspektive mit etwas mehr Distanz.
„An der Natur teilzuhaben, bedeutete, auch am Überlebenswillen teilzuhaben.
Wer zu lange an einem Ort verweilt, vergisst die riesige Ausdehnung der Erde. Er verliert das Gefühl für die Dimension dieser Längen- und Breitengrade. So wie es wohl auch schwierig ist, ein Gefühl für die ungeheuren Dimensionen innerhalb des menschlichen Bewusstseins zu entwickeln.
Spürt man diese Dimensionen jedoch, nachdem sie einem offenbart wurden, keimt Hoffnung auf, ob man will oder nicht, und haftet so hartnäckig am Menschen wie Flechten an einem Felsen.“ (S. 156/320)
„‚[…] Und selbst wenn du selber ein Bauer wärst – vielleicht sind wir das ja alle –, solltest du nie vergessen, dass ein Bauer die magischste aller Figuren ist. Er mag klein und gewöhnlich wirken, ist es aber nicht. Denn ein Bauer ist niemals nur ein Bauer. Ein Bauer ist eine Königin im Wartestand. Du musst nur eine Möglichkeit finden, weiter vorzurücken. Feld um Feld. So kannst du auf die andere Seite gelangen und großen Einfluss gewinnen.‘“ (S. 211/320)
Als Figur wird sie dadurch besonders greifbar. Selbst wenn der Leser sich nicht in der gleichen Situation befindet wie Nora, kann man ihre Situation dennoch gut nachempfinden und sich hervorragend in sie hineinversetzen. Matt Haig erzählt von ihr aus der dritten Person, trotzdem kreiert er eine so intensive Nähe zu seiner Protagonistin, dass es fast so ist, als würde man sich selbst in der Mitternachtsbibliothek befinden und als würde man selbst in die unterschiedlichen Leben der Nora Seed schlüpfen.
Neben dem philosophischen Aspekt integriert Matt Haig auch eine wissenschaftliche Komponente in seine Geschichte. Er spricht von Quantenphysik, von Universen, die parallel gleichzeitig bestehen, in denen zugleich alles möglich ist – wie Schrödingers Katze, die in der Schachtel, solange sie zu ist, gleichzeitig tot und lebendig ist.
Neben der Mitternachtsbibliothek, die nach eigenen Regeln spielt und in der Zeit niemals vergeht, neben der Möglichkeit für Nora, alle ihrer möglichen Leben auszuprobieren, stellt der Autor mit diesem Aspekt einen starken Kontrast her. Er stellt Transzendenz und Wissenschaft, Traumwelten und Realismus gegenüber, wobei er beides als wahr darstellt und es dem Leser überlässt, wie die Geschichte zu interpretieren ist.
Bemerkenswert ist, dass man als Leser dabei nicht groß darüber nachdenken muss. Der Autor entführt einen in seine Geschichte, spielt mit Metaphern, sprachlichen Bildern und Kontrasten, und diese Gedanken über den Sinn dahinter kommen einem ganz natürlich.
Matt Haig erzeugt mit seiner „Mitternachtsbibliothek“ vor allem eins: Hoffnung.
„Interessant, dachte sie, was für völlig neue Perspektiven einem das Leben manchmal schenkt, wenn man nur lange genug wartet.“ (S. 311/320)
Die Gefühle, die ich beim und nach dem Lesen hatte, kann ich nicht beschreiben. „Die Mitternachtsbibliothek“ ist ein Buch, das im ersten Moment so unscheinbar wirkt, dann aber mit jedem Wort mehr berührt und tiefer geht. Matt Haig schreibt hier mit so einer unfassbar puren, reinen Wahrheit, dass man sich gar nicht dagegen wehren kann, dass das Buch ins Herz geht. Dabei schafft er es, die eigene Perspektive auf das Leben so zu verrücken, dass das Einfache schön aussieht und das Schwierige weniger beängstigend.
Ganz große Leseempfehlung!
5/5 Lesehasen.
Vielen lieben Dank an
(c) Droemer |
Hallo Sofia,
AntwortenLöschenschön, dass dich das Buch so begeistern konnte! Ich habe es vor längerer Zeit auch gelesen und mochte das Konzept des Buchs sehr. Wer fragt sich nicht manchmal, wie alles gekommen wäre, hätte man andere Entscheidungen getroffen? Allerdings konnte mich der Roman damals gefühlsmäßig nicht so richtig mitnehmen und es fehlte mir etwas an Emotionalität. Aber so empfindet eben jeder beim Lesen anders und das ist doch auch irgendwie schön. Für jeden gibt es das richtige Buch zur richtigen Zeit.
Liebe Grüße, Steffi
Huhu Steffi,
Löschenja, ich denke einfach, dass ich genau zum richtigen Zeitpunkt zu dem Buch gegriffen habe. Kann mir sehr gut vorstellen, dass es mich in einem anderen Moment auch nicht so stark berührt hätte!
LG zurück ♥
Hi Sofia!
AntwortenLöschenDie Botschaft in dem Buch fand ich auch von der Idee hier ganz toll umgesetzt.
Ich hab mir grade nochmal meine Rezension durchgelesen - ist schon 2 Jahre her - und ich denke, ich würde es jetzt ein bisschen anders sehen bzw. eher begreifen, was Matt Haig hier sagen möchte.
Ich fand teilweise, dass er es als zu einfach darstellt, die Gegenwart als gegeben anzunehmen. Mittlerweile denke ich, das genau das der Schlüssel ist :)
Freut mich jedenfalls dass dir das Buch so gut gefallen hat!
Liebste Grüße, Aleshanee
Huhu Aleshanee,
Löschengenau das denke ich nämlich auch! Dass es gerade darauf ankommt, die Situation so zu nehmen, wie sie gerade kommt, und trotzdem das Schöne darin zu sehen.
LG zurück ♥
Das ist halt in manchen Fällen nicht so leicht. Da muss sich vieles an der inneren Einstellung ändern und das kriegt man nicht so einfach von heute auf morgen hin. Aber wenn man es sich erstmal bewusst gemacht hat, wird es definitiv besser :)
LöschenDas stimmt! :)
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